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Die Sache mit dem Kletterseil: Konfirmationsansprache 2019

Am 5. Mai 2019 wurden 9 Jugendliche aus Obbornhofen und Bellersheim in der Bellersheimer Kirche konfirmiert.

Dabei spielte ein Kletterseil eine wichtige Rolle:

(Pfarrerin hat ein Seil in der Hand)

Johannes Fritzsche (=J): Nanu? Was hast du mit dem Seil vor? - Konfis fesseln, damit sie uns nicht abhanden kommen!?

Beate Fritzsche (=B): Ich gebe es ja zu: ich lasse sie nicht gerne los – die 9 hier! Es war schon ein ganz spezieller Jahrgang. Mit dem Loslassen ist das ja so eine Sache. Eltern wissen das auch… … Aber nein: festhalten und aufhalten kann man die nicht. Die müssen ihre Erfahrungen machen: frei und ohne Bevormundung… Also: Fesseln ist ein ganz schlechtes Stichwort. Die wollen frei sein! Wollen ausprobieren, was in ihnen steckt!

J: Ist das nicht ein Kletterseil? Jetzt, wo ich's mir genauer anschaue... Klettern ist ja eine ganz tolle Erfahrung. Hab ich mal ausprobiert… Sportlich sind die Konfis ja! - Aber mit den Klamotten klettern?! Und in der Kirche?!

B: Einen Kletterkurs sollst du jetzt nicht veranstalten – wobei: von unserem Kirchturm kann man sich tatsächlich ganz gut abseilen - … aber wir kommen der Sache schon näher. Du hast Recht: das ist tatsächlich kein gewöhnliches Seil, sondern speziell fürs Klettern gemacht. Hier: zieh mal dran!

J: Fest, stabil, hochgradig reißfest– und gleichzeitig elastisch… Aber ich weiß immer noch nicht, was du damit hier im Gottesdienst anfangen willst!

B: Ich möchte euch auf etwas aufmerksam machen, denn ich finde, solch ein Seil ist ein gutes Symbol dafür, worauf es im Leben ankommt – Guck's dir mal genauer an. Ich habe es extra am einen Ende mal aufgedröselt...

J: Ah ja: dieses Seil besteht aus vielen verschiedenen Fäden, …

B: - 40 um genau zu sein! -

J: … die miteinander verwoben sind - das erinnert mich dran, dass mir das mal jemand demonstriert hat: ein einzelner dieser Fäden reißt ganz schnell, wenn er stark belastet wird – mit dem kannst du dich beim Klettern nicht sichern! 2 oder 3 zusammen halten schon mehr aus – und je mehr Fäden miteinander verwoben sind, desto stärker ist das Seil. Und so ist es doch im Leben auch: man ist mit vielen anderen Menschen verbunden. Euer Leben, liebe Konfis ist mit dem eurer Eltern, Großeltern und Geschwister sozusagen verwoben. Dazu kommen noch die Paten, Freundinnen und Freunde. Da bekommt ihr Rückendeckung und werdet aufgefangen, wenn es euch schlecht geht. Es wird euch Mut gemacht. Ihr könnt reden und werdet gehört. Ihr habt Menschen, die mit euch teilen, was euch Freude macht und wichtig ist. Das macht doch stark! - Alleine dagegen fühlt man sich oft so schwach und klein!

B: - Ja, und dabei steckt doch so viel in jedem von uns! Guck dir unsere Konfis nur an! Was die an Fähigkeiten haben! Die haben ein tolles Krippenspiel auf die Beine gestellt und einen beeindruckenden Vorstellungsgottesdienst. Und was die in der Schule und bei ihren Hobbies leisten! Vieles wissen wir ja gar nicht!

J: Vielleicht wissen sie es manchmal selbst nicht! Wir leben ja in einer Gesellschaft, in der unheimlich viel gefordert wird – und entsprechend viel kritisiert wird...Und das nimmt man dann ja in sich rein und betrachtet sich selbst auch eher kritisch und fragt sich: Was könnte ich noch besser machen? Wie kann ich noch besser sein?

B: In einem Psalm heißt es: "Ich danke dir, Gott, dass ich wunderbar gemacht bin." Das finde ich gut und gar nicht eingebildet, das zu sagen. Denn: Was ich kann und wie ich bin, das hab ich doch nicht selbst gemacht!

J: Nein, das verdanke ich ganz vielen Menschen, die mich gern haben, die mir etwas beigebracht haben, die mir auch mal was Kritisches gesagt haben, aber die vor allem zu mir halten und mir was zutrauen.

B: Und ich würde sagen: ich verdanke das letztlich Gott! Und wenn ich das so sehe, dann kann ich auch andere Menschen so angucken: jeder ist von Gott wunderbar gemacht und einzigartig und verdient Respekt! Auch wenn ich nicht mit jedem übereinstimme. – Und dann kann man, wenn man ein gemeinsames Ziel hat, zusammen auch ganz viel auf die Beine stellen. Damit sind wir wieder bei den verschiedenen Fäden, aus denen das Seil besteht… Hellblau, dunkelblau, pink,… eigentlich müssten sie alle unterschiedlich sein, so wie unsere Konfis und Kirchenvorsteher und Eltern … auch alle unterschiedlich sind!

J: Du sagst: Gemeinsam kann man viel mehr erreichen als alleine. Das ist ja wohl allen klar. In der Familie ist das so, in der Schule und in Konfi, im Sport…

B: Ja, und eben haben wir in der Lesung aus der Bergpredigt gehört: "Ihr das Licht der Welt" – da sind alle Christen zusammen angesprochen, nicht einer oder eine alleine!

J: Ich denke dabei auch an die großen Fragen, vor denen die Konfis stehen – und wir ja auch: Welche Zukunft haben wir? Was können wir dafür tun, dass unsere Erde bewahrt wird und ein besserer Ort wird? Wie kann ich klarkommen mit Leid und Tod?

B: Mit diesen Fragen komme ich alleine ganz schnell an meine Grenzen, das stimmt. Da tut es mir schon gut, wenn ich sehe: es gibt eine ganze Menge Leute, die  haben die gleichen Fragen wie ich. Die haben vielleicht auch nicht auf alles eine Antwort. Und die haben nicht immer eine Lösung parat, aber mit denen kann ich zusammen danach suchen. Das finde ich in unserer Kirche und so gesehen ist die Kirche auch so ein Seil, das mich hält und in das ich mich reinfallen lassen kann wie der Kletterer am Berg…

J: Dir ist aber schon auch aufgefallen, dass die bunten Fäden, die miteinander verwoben sind, nicht alles sind!?

B: Ja, klar! Innen drin im Seil befindet sich nochmal ein Strang von Fäden aus besonders reißfestem Material. Sie erhöhen die Stabilität des ganzen Seiles und machen es elastisch. Es hält nun viel Gewicht aus und federt das Gewicht ab, wenn der Bergsteiger sich hineinfallen lässt. Man nennt es die "Seele". Die zeichnet ein Kletterseil aus und macht es so belastbar.

J: Bestimmt hast du dazu auch eine Idee, was es mit diesem Kern des Seils, der "Seele" auf sich hat…

B: Ja, hab' ich. Der Kern, die "Seele" – ich finde, das ist der Glaube: das Vertrauen darauf, dass mein Leben von Gott herkommt und immer auf ihn zuläuft. Glaube heißt: sich festmachen an Gott -Bindung an ihn.

J: Damit sind wir ja wieder bei meinem ersten Gedanken: dem Festbinden!

B: Ja, aber ganz anders: mir geht es nicht drum, die Konfis oder sonst irgendjemand an die Kirche zu binden, sodass sie immer wieder zum Gottesdienst kommen und sich in der Kirche engagieren.

J: Das wäre aber doch nicht verkehrt!

B: Sicher nicht! Wenn ihr das von euch aus tut, dann ist das toll und ich freue mich drüber. Und ich bin überzeugt, dass das was bringt! Viel entscheidender finde ich aber, dass Menschen entdecken: Gott, Glaube, Gemeinschaft der Christen – das ist nicht nur so was für die großen Feiertage im Leben, sondern das ist was für jeden Tag und das ganze Leben. Das gehört mittenrein in meinen Alltag und in alles, was ich tue. Es gibt Halt und Kraft auch in schwierigen Lebenssituationen.

J: Ja, ganz viele Menschen haben das schon so erlebt und wenn sie davon erzählen oder wenn ich davon in der Bibel lese, dann hilft mir das.

B: Vor allem dieses wünsche ich euch Konfis: dass ihr euch gehalten wisst von Gott – wie von einem guten Kletterseil - bei jedem Aufstieg, auf jedem Weg...

J: ...und dass ihr unterwegs die anderen nicht aus dem Auge verliert, sondern das, was ihr seid und könnt, anderen zu Gute kommen lasst. "Ihr seid das Licht der Welt!"

B: Amen!


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